„Ich glaube es geht los“, flüstert die Nähmaschine aufgeregt und pustet sich den Staub von den Spulen.
Weil sie ganz oben steht, bemerkt sie immer als Erste, wenn das Nähzimmer betreten wird.
Die Overlock ist sich noch nicht ganz sicher. Mit eingezogenen Konen ist sie leider kleiner, was sie ziemlich ärgert, denn sie hält sich gerne für die Schönste und bildet sich eine Menge darauf ein, dass sie bevorzugt benutzt wird.
„Doch, ich bin mir sicher. Es gibt ein neues Schnittmuster. Und dort drüben, siehst du das, die Mappe mit den Schnittvorlagen ist offen.“
Die Nähmaschine stupst die nächste Kiste mit Stoffen an.
„Macht euch bereit, ihr werdet gleich gebraucht.“
Aufgeregt fangen die Stoffe an zu tuscheln. Die Nachricht springt von Kiste zu Kiste.
Die gemusterten Stoffe halten sich bereit, sie strecken sich und jeder möchte ganz oben liegen.
„Bestimmt werde ich gewählt“, sagt der eine, „hoffentlich bin ich heute dran“ der andere.
Ein paar ganz unten hoffen in Gedanken. Sie liegen bereits ewig in den Kisten, aber sie wurden einmal bewusst gekauft, also schlägt bestimmt auch irgendwann ihre große Stunde.
Die Unistoffe sind gelassen, sie glätten nicht einmal ihre Falten. Von ihnen wird fast immer einer benutzt. Der schwarze schläft sogar weiter, man wird ihn schon wecken, wenn er gebraucht wird.
In der Kiste mit den Dekostoffen wird ein Kalender herumgereicht.
Ein Feiertag steht vor der Tür, und sie sind perfekt für Geschenke.
Der Stoff mit den Hasen ist so siegessicher, dass er zu prahlen beginnt.
„Nur ich werde heute genommen, ich werde bestimmt ein Kissenbezug oder ein Tischset, und jeder wird mich bewundern.“
Die Wintermotive verziehen sich und lassen den Frühlingsmotiven den Vortritt.
Im Nähkoffer drehen sich die Rollen und wickeln ihre Fäden auf. Ganz unordentlich und verknotet sind sie geworden.
Die Knöpfe springen aufgeregt auf und ab und von Fach zu Fach. Von Ordnung halten sie nicht viel.
Die Reißverschlüsse putzen sich die Zähne, und die Borten schütteln ihre Spitzenränder aus. Sie wissen, wie schön sie sind.
Auf dem Tisch legen sich die Scheren in Reih und Glied, nur der Fadenauftrenner ist schüchtern und versteckt sich. Dabei wird er jedes Mal gebraucht.
Nun wachen auch die Stecknadeln auf und unterhalten sich mit den Sicherheitsnadeln.
„Wir verstehen das gar nicht. Früher waren wir immer dabei, aber jetzt sind nur noch die Stoffklammern wichtig. Dabei haben wir zuverlässig funktioniert und nur ganz selten gepiekt.“
Mittlerweile wird überall spekuliert, und es wird lauter und lauter.
Die Nähmaschine klopft mit dem Nähfuß und bittet um Ruhe.
„Wir sollten das Schnittmuster fragen was es werden will.“
Das richtet sich selbstsicher auf und entfaltet sich.
„Ich werde ein Kleid.“
In der letzten Kiste bricht Unruhe aus. Die Panele richten sich aus, so dass ihr Motiv besonders gut zur Geltung kommt.
„Ein Kleid“, raunen sie sich zu. „Dafür wurden wir geboren.“
Sie werden nur selten genutzt, aber aus ihnen wird immer etwas ganz Besonderes.
Die Osterstoffe bleiben siegessicher.
„Ein Kleid, na und. Ein Tischset ist viel wichtiger. Und vor Feiertagen werden Geschenke genäht. Basta.“
Doch niemand achtet auf sie, denn das Schnittmuster steht jetzt im Mittelpunkt und genießt die Aufmerksamkeit.
„Vielleicht brauche ich Samt oder den Spitzenstoff, und ich habe eine Kapuze, die bestimmt gefüttert werden muss. Alles ist möglich.“
Die Overlock macht sich bereit und strafft ihre Fäden. Für ein Kleid ist sie unabdingbar. Da kann sich die Nähmaschine noch so als Chef aufspielen, für mehr als den Saum wird sie nicht gebraucht.
Plötzlich geht das Licht an, und alles wird still. Nur eine besonders zappelige Nadel passt nicht auf und fällt auf den Boden. Aber das passiert bei Nadeln immer, und niemand achtet darauf.
Es geht los.
Hihihi… Wenn ich mir das so vorstelle… Ups…
Dann sind meine Maschinchen, Stoffe und Zubehör immer nur am Zetern, weil sie zugebaut sind von lauter Dingen, die ihnen die Sicht versperren und weil sie nie genutzt werden…
Du weißt, wie sehr ich diesen Text liebe. Nun kann ich ihn meiner Frau Maus vorlesen ❤